Wenn die eigenen Bedürfnisse verloren gehen

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Im Laufe unseres Lebens kann es passieren, dass wir den Kontakt zu unseren eigenen Bedürfnissen verlieren. Statt auf das zu hören, was unser Körper und unsere Seele wirklich brauchen, haben wir gelernt, diese Stimmen zu unterdrücken. Oft liegt die Ursache dafür in unserer Kindheit, wenn unsere Ursprungsfamilie uns nicht den Raum gegeben hat, unsere Bedürfnisse auszudrücken oder ihnen nachzugehen. Doch was passiert, wenn wir uns von diesen inneren Impulsen entfremden? Und wie können wir lernen, unsere Bedürfnisse wieder zu erkennen und ihnen gerecht zu werden? Dieser Artikel will aufzeigen, welche Folgen es haben kann, wenn die eigenen Bedürfnisse verloren gehen und was wir dagegen tun können.

Warum wir unsere Bedürfnisse unterdrücken

Kinder sind von Natur aus in Kontakt mit ihren Bedürfnissen. Sie weinen, wenn sie Hunger haben, suchen Trost, wenn sie traurig sind, und äußern ihre Wünsche ohne Hemmungen. Doch nicht jedes Kind wächst in einem Umfeld auf, das diese Bedürfnisse willkommen heißt.

Mögliche Ursachen dafür, dass die eigenen Bedürfnisse verloren gehen:

  1. Ursprungsfamilie: In manchen Familien wird den Bedürfnissen der Kinder wenig Raum gegeben, sei es durch Vernachlässigung, emotionale Kälte oder überhöhte Erwartungen.
  2. Gesellschaftliche Prägung: Die Gesellschaft belohnt oft Selbstaufopferung, Produktivität, Erfolg und Bescheidenheit, was dazu führen kann, dass wir unsere Bedürfnisse als unwichtig erachten.
  3. Frühe Verletzungen: Erfahrungen von Ablehnung oder Scham können dazu führen, dass wir uns nicht mehr trauen, unsere Wünsche und Bedürfnisse zu äußern. Das Äußern von Bedürfnissen kann Konflikte oder Spannungen erzeugen. Wer Konflikte scheut, entscheidet sich oft dafür, die eigenen Wünsche zurückzustellen.
  4. Traumatische Erlebnisse: Menschen, die in der Vergangenheit körperlichen, emotionalen oder psychischen Missbrauch erlebt haben, entwickeln oft Mechanismen, um ihre Bedürfnisse zu verdrängen. Sie lernen, ihre eigenen Wünsche als unwichtig oder sogar gefährlich zu empfinden.
  5. Schuldgefühle: Das Gefühl, egoistisch zu sein, wenn man eigene Wünsche äußert, kann dazu führen, dass Menschen ihre Bedürfnisse unterdrücken, um anderen zu gefallen. Auch Kinder, die früh Verantwortung für die Bedürfnisse ihrer Eltern übernehmen müssen, lernen, ihre eigenen Wünsche hintenanzustellen.
  6. Angst vor Veränderung: Bedürfnisse anzuerkennen, bedeutet oft, dass man Veränderungen in seinem Leben vornehmen muss. Die Angst vor dem Unbekannten kann dazu führen, dass Menschen lieber in einer unbefriedigenden Situation verharren.

Die Folgen verlorener Bedürfnisse

Wenn wir Bedürfnisse über lange Zeit ignorieren, kann es passieren, dass die eigenen Bedürfnisse verloren gehen und wir sie nicht mehr bewusst wahrnehmen. Das hat tiefgreifende Auswirkungen auf unser Wohlbefinden.

Psychische Folgen:

  • Gefühl der Leere: Ohne Zugang zu unseren Bedürfnissen verlieren wir die Verbindung zu uns selbst.
  • Unzufriedenheit: Ein unerklärliches Gefühl von Frustration oder Unglücklichsein kann entstehen.
  • Depression und Angst: Unterdrückte Bedürfnisse können zu psychischen Belastungen führen, weil wir uns ständig gegen uns selbst stellen.
  • Ersatzbefriedigung: Essen, Rauchen, Medikamente, etc. können zu Ersatzbefriedigung unserer eigentlichen Bedürfnisse werden, weil sie uns ein ähnliches Gefühl verschaffen.

Körperliche Folgen:

  • Stressreaktionen: Der Körper reagiert auf ignorierte Bedürfnisse oft mit chronischem Stress oder psychosomatischen Störungen, wie chronischen Magen-Darm-Beschwerden, Hautproblemen, chronischen Schmerzen in Kopf, Rücken und Gelenken, oder Herz-Kreislaufproblemen.
  • Energieverlust: Wenn die eigenen Bedürfnisse verloren gehen, wird ständig gegen sich selbst gearbeitet. Man fühlt sich chronisch erschöpft und ausgelaugt.

Soziale Folgen:

  • Probleme in Beziehungen: Wenn wir unsere eigenen Bedürfnisse nicht kennen, fällt es uns schwer, gesunde Grenzen zu setzen oder echte Nähe zuzulassen.
  • Konflikte: Unterdrückte Bedürfnisse können sich in Form von Frustration oder Ärger äußern, der sich auf andere richtet.

Die Schattenseite unterdrückter Bedürfnisse:

Wenn wir unsere wahren Bedürfnisse über einen längeren Zeitraum unterdrücken und wenn die eigenen Bedürfnisse verloren gehen, sucht unser System nach Alternativen, um das entstandene innere Ungleichgewicht auszugleichen. Häufig mündet dies in Ersatzbefriedigungen oder sogar in Süchten, die kurzfristig Linderung verschaffen, aber das eigentliche Problem nicht lösen.

Ersatzbefriedigungen und Süchte

Unterdrückte Bedürfnisse können sich auf unterschiedliche Weise manifestieren:

  • Essstörungen: Übermäßiges Essen oder Hungern kann ein Versuch sein, emotionale Leere zu füllen oder Kontrolle über das eigene Leben zu gewinnen.
  • Rauchen: Zigaretten werden oft genutzt, um Stress zu regulieren oder ein Gefühl von Entspannung herzustellen.
  • Alkoholkonsum: Alkohol kann scheinbar helfen, unangenehme Gefühle zu betäuben oder soziale Hemmungen abzubauen.
  • Übermäßiger Medienkonsum: Stundenlanges Scrollen oder Serienschauen kann als Flucht vor unangenehmen Gefühlen dienen.

Diese Verhaltensweisen sind jedoch nur Symptome eines tieferliegenden Problems und führen langfristig oft zu neuen Herausforderungen.

Die Grundbedürfnisse jedes Menschen

Um ein erfülltes und gesundes Leben zu führen, müssen wir uns unserer Grundbedürfnisse bewusst sein und ihnen Raum geben. Zu den fundamentalen Bedürfnissen gehören:

  1. Physische Bedürfnisse: Nahrung, Wasser, Schlaf, Bewegung und ein Gefühl von Sicherheit.
  2. Emotionale Bedürfnisse: Liebe, Geborgenheit, Nähe und das Gefühl, akzeptiert zu werden.
  3. Soziale Bedürfnisse: Zugehörigkeit, Gemeinschaft und ein unterstützendes Umfeld.
  4. Selbstverwirklichung: Kreativität, persönliche Entfaltung und das Verfolgen eigener Ziele.
  5. Erholung und Entspannung: Zeit für sich selbst, für Stille und Regeneration.
  6. Bedeutung und Sinn: Das Gefühl, Teil von etwas Größerem zu sein und einen Beitrag zu leisten.

Wie wir unsere Bedürfnisse wiederentdecken können

Die gute Nachricht ist, dass es möglich ist, wieder in Kontakt mit den eigenen Bedürfnissen zu kommen. Es erfordert Mut, Achtsamkeit und die Bereitschaft, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen.

  1. In sich hineinspüren:
    Beginne, regelmäßig innezuhalten und auf deinen Körper und deine Gefühle zu achten. Frag dich: Was nehme ich in meinem Körper wahr? Was fühle ich? Wie geht es mir mit dieser Körperempfindung? Welche Emotionen kommen zum Vorschein? Welcher Gedanke geht mir gerade dabei durch den Kopf? Was würde das alles verstärken? Was brauche ich gerade wirklich?
  2. Alte Muster erkennen:
    Reflektiere, woher deine Tendenz kommt, deine Bedürfnisse zu unterdrücken. Welche Glaubenssätze oder Erfahrungen beeinflussen dein Verhalten?
  3. Kleine Schritte gehen:
    Lerne, deine Bedürfnisse wieder zu äußern, zunächst in einem sicheren Rahmen, mit Menschen denen du vertrauen kannst. Übe, „Nein“ zu sagen, wenn etwas nicht zu deinem Wohlbefinden passt. Und wenn dir ein „Nein“ schwerfällt, versuch es erstmal mit einem „das fühlt sich nicht stimmig an“. 
  4. Selbstmitgefühl entwickeln:
    Sei geduldig mit dir selbst. Das Wiederentdecken deiner Bedürfnisse ist ein Prozess, der Zeit braucht. Erlaube dir, Fehler zu machen und neue Wege auszuprobieren.
  5. Therapeutische Unterstützung: Manchmal ist es schwierig, ohne Hilfe von außen wieder Zugang zu den eigenen Bedürfnissen zu finden. Wenn es nicht mehr gelingt, diese zu verstehen oder richtig zu deuten, kann die Begleitung durch einen Experten wertvoll sein. Je nach individuellem Anliegen können körper- oder psychotherapeutische Methoden – wie beispielsweise Hypnosetherapie – dabei helfen, sich selbst besser wahrzunehmen und wieder in Einklang mit den eigenen Bedürfnissen zu kommen.

Die gesunde Kraft der Bedürfnisse

Unsere Bedürfnisse sind wie ein innerer Kompass, der uns den Weg zu einem erfüllten Leben weist. Wenn wir uns erlauben, auf sie zu hören, können wir:

  • Gesunde Beziehungen aufbauen: Wer seine Bedürfnisse kennt, kann sie klar kommunizieren und auch die Bedürfnisse anderer respektieren.
  • Besser für sich sorgen: Indem wir auf unseren Körper und Geist achten, fördern wir unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit.
  • Mehr Lebensfreude erfahren: Bedürfnisse zu erfüllen, gibt uns das Gefühl von Sinn und Zufriedenheit.

Fazit: Den Kontakt zu sich selbst wiederfinden, wenn die eigenen Bedürfnisse verloren gegangen sind

Die Unterdrückung von Bedürfnissen hat oft tief verwurzelte Gründe und ist eine Anpassungsstrategie, die Menschen in ihrer Lebensgeschichte entwickelt haben. Ersatzbefriedigungen und psychosomatische Beschwerden sind keine Schwäche, sondern ein Hilfeschrei unseres Körpers und Geistes. Sie zeigen uns, dass wir uns dringend mit unseren wahren Bedürfnissen auseinandersetzen sollten. Indem wir uns erlauben, wieder auf unsere innere Stimme zu hören und unsere Grundbedürfnisse anzuerkennen, können wir nicht nur unser Wohlbefinden steigern, sondern auch ein Leben führen, das authentisch und erfüllt ist. Es ist nie zu spät eine Verbindung zu unseren wahren Bedürfnissen wiederherstellen, auch wenn die eigenen Bedürfnisse verloren scheinen.

Links zu weiteren Informationen:

  • Menschliche Bedürfnisse, Werte, Wohlbefinden – Hier
  • Ursachen einer Suchterkrankung – Hier
  • Therapeutische Begleitung in meiner Praxis – Hier

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